Wein, Winzer und Marken
Wein, Winzer und Marken: Gedanken zu den Marken deutscher Winzer.
Ich habe mir am Wochenende die Zeit genommen, meiner großen Leidenschaft zu fröhnen und die neuen Jahrgänge deutscher und internationaler Winzer auf der ProWein – der wohl größten Fachmesse für Wein – auf die Probe zu stellen. Als Symptom meiner Berufskrankheit habe ich dabei besonders auf Marken, Branding und das “R im Kreis” geachtet. Bei einigen Weingütern habe ich mir dann auch angesehen, für welche Waren und Dienstleistungen welcher Schutz begehrt wird.
Dabei ist mir aufgefallen, dass viele Markenportfolios deutscher Winzer nicht optimal sind. Warum? Das möchte ich im Folgenden erläutern. Nicht näher eingehen möchte ich auf den – mittlerweile wohl entschiedenen – Streit um die Frage, ob Terroir- und Lagenbezeichnungen markenrechtlichen Schutz erhalten können. Hier dürfte sich die Ansicht durchgesetzt haben, dass die Beschreibung des Terroirs (etwa Roter Schiefer, Löss oder Buntsandstein) beschreibend ist für die Beschaffenheit der Ware, so dass diese Bezeichnungen nach § 8 MarkenG nicht eintragungsfähig sind. Hinsichtlich der Lagenbezeichnungen gelten zweierlei Eintragungshindernisse: einerseits soll ein Freihaltebedürfnis bestehen, weil selten ein Winzer alleine auf einer Lage sitzt, andererseits sind geografische Angaben von der Eintragung ins Markenregister ausgeschlossen.
Erste Beobachtung: Großes Markenportfolio, aber unnötig teuer
Der nette Vertreter des Weinguts Tesch bewarb nicht ohne Stolz seine Weine, aber auch deren eingetragene Marken. Vorgestellt wurden ein weiß gekelterter und spannender Pinot Noir namens “Deep Blue” mit feinen roséfarbenen Reflexen und ein für die Gastronomie bestens geeigneter Riesling namens “Unplugged”; beide Weine wurden als geschütze Marken mit dem “R im Kreis” gekennzeichnet.
Folgende Einträge findet man vor, wenn man sich alle auf Herrn Dr. Martin Tesch angemeldeten und registrierten Marken anzeigen lässt:
Weinmarken des Weinguts Tesch
Was auffält: Neben der Wortmarke “Unplugged” finden sich noch die Wortmarken “Riesling Unplugged” und “Spätburgunder Unplugged”. Welchen zusätzlichen Schutz sollen diese beiden Marken gewähren? Im Fall eines Rechtsstreits würden die beschreibenden Attribute “Riesling” und “Spätburgunder” aus dem Kennzeichenvergleich ausgeschlossen, wenn es sich um Riesling beziehungsweise Grauburgunder handelt. Es bietet also keinerlei Mehrwert. Anders wäre es nur, wenn der “Riesling Unplugged” einen Wein aus einer anderen Rebsorte als Riesling genutzt würde, denn dann wäre “Riesling” ja nicht mehr beschreibend. Aber mal ehrlich: Wer macht das denn? Übrigens wäre die Kennzeichnung dann auch grob irreführend und damit wettbewerbswidrig. Für alle Marken wird alle zehn Jahre eine Verlängerungsgebühr von je 750,00 € fällig. Schade um das schöne Geld. Es entzieht sich meiner Kenntnis, ob in anderen Ländern “Riesling” als Beschaffenheitsbezeichnung ebenfalls im Kennzeichenvergleich überlesen wird. Andernfalls könnte es sogar sein, dass ein Wein namens “Unplugged” sich (etwa in Japan) erfolgreich gegen “Riesling Unplugged” durchsetzt, weil das zuständige Amt oder Gericht zu der Ansicht gelangt, der Bestandteil “Riesling” sorge bereits für hinreichenden Abstand.
Mir ist natürlich bewusst, weshalb Tesch gleichwohl an den Marken festhält (und im Fall des Rieslings auch diese Marke als Ausgangsmarke für eine internationale Markenanmeldung genutzt hat): beide Marken sind deutlich älter als die “bessere” Marke “Unplugged”. Sollte sich zwischen 2002 und 2009 irgendein anderer Winzer oder Weinhändler entschieden haben, seinen Wein “Unplugged” zu nennen, so würde die alte Marke nach dem Motto “wer zuerst kommt” die Marke des Dritten verdrängen, wärend sich der Dritte mit seiner Marke gegen “Unplugged” aus 2009 erfolgreich durchsetzen könnte. Mit etwas Weitsicht (und ordentlicher markenrechtlicher Beratung) hätte man bereits im Jahr 2002 eine starke Marke für kleine Mark erhalten.
Zweite Beobachtung: die wichtigsten Marken sind erst gar nicht geschützt
Meine zweite Beobachtung habe ich bei den Weingütern Hammel & Cie sowie Johannes Balzhäuser gemacht. In beiden Fällen handelt es sich um Traditionshäuser, die von der jungen Generation kräftig auf links gedreht wurden. Beide überzeugen mit süffigen Spaßweinen für den sonnigen Terrassenabend. Motto: Mehr Spaß als Philosophie. Beide Winzer, da werden mit die Marketingkollegen aus den Design- und Werbeagenturen recht geben, überzugen mit einem starken Branding. Der Spaß fängt auf der Flasche an.
Bewusstsein für Marken ist bei Hammel offensichtlich auch vorhanden. So sind allein auf die Weingut Hammel GmbH in der relevantesten Nizzaklasse 33 (Wein) 17 Marken angemeldet. Darunter befinden sich ein Haufen schick gestalteter Etiketten sowie einige starke Markennamen für Weine, etwa “Sissi & Franz”. Auf die Marke, die auf allen Weinen steht, nämlich “Hammel & Cie” hingegen ist nur eine Wort-/Bildmarke eingetragen, die eine Gestaltung enthält, die Hammel allem Anschein nach gar nicht mehr nutzt:
Altes Logo von Hammel & Cie
Das deutlich modernere Logo, welches Homepage und Flaschen ziert, ist jedoch nicht zu finden:
Neues Logo von Hammel & Cie
Schlimmer noch: die naheliegenden Wortmarken “Hammel” und “Hammel & Cie” finden sich im Markenregister gar nicht. Beide Marken würden einen deutlich weitergehenden Schutz bieten als die Wort-/Bildmarke. Denn: Mund-zu-Mund-Propaganda kennt keine grafischen Gestaltungen, sondern nur Namen.
Johannes Balzhäuser sitzt auf zwei tollen Gestaltungen, nämlich der Kontur eines Auerhahns mit den Initialien “JB” sowie äußerst modern gestaltete “Zebra”-Flaschen. Beides kann man sich unter www.balzhaeuser.de ansehen. Hier dürfte die Gestaltung sogar so einprägsam sein, dass man sogar in der gesprochenen Kommunikation das Streifenmuster benennt. Es wäre schade, wenn Dritte sich an die Gestaltung dranhängen würden. Richtig ärgerlich wird es, wenn der Markt verwirrt wird und der Ruf leidet, weil irgendein gruselig übersäuerter Discounter-Wein in genau diesem Outfit an den Markt geht.
Dritte Beobachtungen: wertlose Marken
Oft werden Marken vom Markenamt eingetragen, die niemals eingetragen werden dürften. Das sind dann beispielsweise Marken, die das Produkt oder jedenfalls dessen Beschaffenheit beschreiben. Mit einem solchen Schmuckstück haben wir es hier zu tun:
Wortmarke “Secco Verde”
Secco ist der in Deutschland gebräuchliche Begriff für das, was Italiener “Prosecco” nennen, nämlich einen mit Kohlensäure versetzten Wein. Ungenauigkeiten bei dieser Beschreibung dürften mir die Winzer nachsehen. Verde ist die spanische und portugiesische Übersetzung für “grün”. Bei dem Produkt handelt es sich um einen Secco aus einer grünen Rebsorte, dem grünen Silvaner. Kurz: es handelt sich um eine fast wörtliche Beschreibung eines “grünen” Perlweins. “Verde” hat nur dann Bestand im Markenregister, wenn der Prüfer zum Ergebnis kommt, diese Übersetzung sei ungebräuchlich und werde in Deutschland nicht als solche erkannt. Ich habe da meine Zweifel. Ein Löschungsantrag mit kurzer und knackiger Begründung beim DPMA könnte Wunder bewirken.
Was sagt MIP dazu?
Es ist ein Jammer. Mit einer ordentlichen Markenführung ließe sich eine Menge Geld sparen. Der Wert des eigenen Weins ließe sich erheblich steigern. Der Abstand zur Konkurrenz ließe sich vergrößern. Und das allerwichtigste: Trittbrettfahrern bliebe keine Luft zum atmen. Hier gilt wohl: Wer nicht will, der hat schon.
Wer doch will, der sollte sich bei einem auf das Markenrecht spezialisierten Rechtsanwalt beraten lassen. Die (verhältnismäßig) geringen Kosten dieser Beratung stehen in keinem Verhältnis zum dem Ärger und den (unverhältnismäßig) hohen Kosten, wenn das Kind einmal in den Brunnen gefallen ist.
Dein Kommentar
An Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns Deinen Kommentar!